Über meine Arbeit
Text von Prof. Hermann Wiesler


  Arbeiten von Susanne Müller zeigen beispielhaft, unter welchen inneren und äußeren Bedingungen Kunstarbeit am Ende des Jahrhunderts steht.
  Alles ist möglich.
  Ein Künstler kann machen, was er will. Von keiner Regel gebunden und gehalten. Es sei denn, totalitäre Zwänge herrschten. Öffentliches Interesse - falls vorhanden- ist ein allgemeines; es gibt keine konkrete Erwartungshaltung. Vielleicht außer der, etwas Hübsches vorgesetzt zu bekommen. Das ist dann in der Regel pläsierliches austauschbares Zeug. Kunstarbeit ist der Versuch, sich mit dem gewählten Material herumzuschlagen; das Ergebnis ist der Summe vorhandener Kunst abgetrotzt. Der Betrachter kann dieses "Neue" für sich beleben, ihm assoziativ nachhängen. Künstler wie Betrachter gemeinsam übergeordnete Kunst-Inhalte, Kunst-Wahrheiten gibt es nicht.
  Müller zeichnet und baut Skulpturen. Vereinfachte Objekte. Sofort ein- und übersehbar. Doch alles andere als eindeutig. Plastische Zeichen erinnern an Kulte. Aber sie erinnern "nur". Für den kultischen Gebrauch sind sie nicht gemacht.
  Wenn etwas nicht das sein soll, als das es erscheint, bewegt sich die Urheberin dieser artistischen Formulierungen auf einem schmalen Weg. Müller hält sich fern von Magie und Beliebigkeit. Ihre plastischen Arbeiten sind doppelt ausformuliert. Die verknappt gebaute Form steht zeichenhaft für sich; das Entschiedende der plastischen Erfindung schließt Beliebigkeit aus.
   Die Künstlerin ist material- und detailbessen. Zurückhaltend gemasertes Holz (Esche/Erle) wird zur konzentrierten schwellenden Formkraft - der gespannten Haut einer überreifen Frucht vergleichbar - bearbeitet, glatt, unexpressiv. Titel - "Wächter", "Schutzgöttin" - setzen auf kultferne nachvollziehende Erfindungskraft des Betrachters.
 "Im vergangenen Jahr habe ich begonnen, eine Serie abstrakter Zeichnungen zu entwickeln. Überwiegend aus der quadratischen Grundform zu Diagrammen zusammengesetzt, variieren im Motiv die Leerstellen, wodurch sich Veränderung, Wandel, Gegensätze, Wachstum, nach innen und nach außen Strebendes darstellen. Zeitliche Abläufe sollen sichtbar werden"
  Das Machen selbst wirkt vertiefend auf meine Atmung, somit ausgeleichend. Deshalb empfinde ich den Kontrast zur aktiven, vielfach lärmbetonten Bildhauerei als überaus wohltuend und meiner Kreativität förderlich. Im Kleinen Tun, sitzend am Tisch, ausgestattet mit Tusche, einem feinen Pinsel und Papier, vervollständigt sich das Wirken im Stillen."
  Diese Papierarbieten ("Wachstum der Bäume", "Wandel") sind mehrteilige (4 bzw. 6 Blätter) Folgen. Quadratbänder; Fülle und Leere wechseln; die Prinzipien Klappen/Falten - also symmetrische - herrschen. Raster- oder Rautenordnungen. Sorgfältig ausgetuschte Quadrate. In ihnen lichtet Farbe (Siena gebrannt/Indisch schwarz) auf, zu den Rändern sich verdichtend, überlagernd. Die Ornamentfelder drängen in Teppiche, Wandgliederungen übersetzt zu werden.
  Die Kunst von Susanne Müller: Eine zarte Kunst, mit zähen nachdrücklichem Anspruch: Die Arbeiten sind stabil, fest; gleichzeitig lebt in jeder eine Labilitär eigener Art.

Aufeinander zu- Voneinander weg
Bronzeguss 1996
16 x 16 x 3,8cm


Schutzgöttin des Hauses


Wandel, Tuschezeichnung

Der Text von Prof. Hermann Wiesler
erschien 1996 anläßlich der Ausstellung "Sieben Positionen"
-Die Atelierpreisträger der Karl-Hofer-Gesellschaft im Hause der Berlin Hyp